Akt I: Die soggetti

Monteverdi ordnet jedem Textbaustein ein soggetto zu. Die soggetti scheinen auch auf den ersten Blick auf den jeweiligen Inhalt Bezug zu nehmen. Sie greifen wie es für die musikalische Rhetorik der Zeit üblich ist, rhetorische Figuren und Topoi auf.Die Einteilung von sieben soggetti, die Schick vornimmt, erscheint nicht immer ganz plausibel, da er teilweise Texteinheiten und musikalische Einheiten trennt. Ich greife daher auf eine eigene Einteilung zurück.

„Piang'e sospira“

Der Anfang piang'e e sospira („Sie weint und seufzt“) ist mit einem chromatischen Gang aufwärts gestaltet. Die Stimmen durchschreiten damit den gesamten oberen Quartraum des Modus. Die Phrase insgesamt pendelt zwischen b und a. Der Halbtonschritt von der 6. zur 5. ist das konstiuierende Element der Linie, die zwei Affekte aufgreift: Das Weinen über die aufwärts gerichtete Chromatik und das Seufzen durch den abfallenden und schließenden Fall zu 5. Stufe.

Piagne Motiv

„e quand'i caldi raggi“

Das zentrale Wort, das Monteverdi musikalisch aufgreift, ist fuggon („fliehen“). Die fusae-Noten sind die schnellsten Notenwerte im ganzen Stück und stellen eine der wenigen Stellen dar, an denen der Text nicht syllabisch vertont ist.

E quand'i caldi raggi Motiv

„Ne la scorza … segnò l'amato nome

Die beiden Textteile sind mit ähnlichen soggetti gestaltet. Offensichtlich wird dies wenn man die Intervallschritte vergleicht. Diese Ähnlichkeit hat einerseits sicherlich mit der Semantik des Textes zu tun. Der Satz geht nach „Ne la scorza di pini o de faggi“ inhaltlich weiter und ergibt auch nur mit dem folgenden Teil eine echte Aussage. Untergleidert wird die Linie von Monteverdi in jeder Stimme bei „faggi“ mit einer Klausel, die jeweils auch Bestandteil kleineren oder größeren 2-schrittigen Kadenz ist, in anderen Stimmen aber geflohen werden kann. Die rhetorische Ähnlichkeit der beiden soggetti, die gerade spiegelverkehrt aus Quart- und Terzbewegungen bestehen, wird so strukturiert. Die Wahl der Intervalle hängt auch mit der Art und Weise zusammen, wie Monteverdi die einzelnen soggetti zueinander addiert, wozu gleich ein Blick auf die kontrapunktische Gestaltung notwendig wird.

Ne la scorza Motiv

„E de la sua fortuna […]“ und „in dura scorza incise.“

Neben „fuggon“ wohl das rhythmisch prägnanteste Motiv. Die repetierten rezitationsartige Verwendung des Motivs wird später noch thematisiert. Die Phrase enthält die zentrale Aussage des Einritzens in den Baum.

Das Ende der Phrase erhält noch einen eigenen soggetto-Status. Für den Text „in dura scorza incise“ ist der große Sextsprung abwärts charakteristisch, ein Intervallsprung der zumindest im 16. Jahrhundert in mehrstimmig komponierten Sätzen selten zu finden ist. Dieser Sprung ist insofern echtes neues Madrigal-Material. Gleichzeitig kommt der Text auch immer wieder unabhängig vom soggetto in kadenziellen Floskeln vor. Die Text-Musik-Bindung ist ähnlich wie bei beim Schluss des „e quand'i caldi“-soggettos („greggi a la dolce ombr'assise“) nicht so stark wie sonst.

E de la sua fortuna Motiv